CO2-Steuer: Wird mein Schnitzel teurer?

English version here.
Über die CO2 Steuer wird zur Zeit viel diskutiert. 61 Ländern weltweit, darunter Vorreiter wie Schweden oder die Schweiz, haben sie bereits. Die CO2 Steuer ist also in aller Munde – doch wie wird sie sich auf unser Essen auswirken?
Fragt ihr euch auch, was so eine Steuer denn für den täglichen Einkauf im Supermarkt, Bauernladen oder veganen Biomarkt bedeuten würde? Verschwinden Ananas und wird Fleisch unleistbar?

In diesem Artikel erkläre ich euch, was uns die Wissenschaft dazu zu sagen hat, und dazu gibt’s noch ein paar knackige Beispielberechnungen.

Um die Klimakrise lösen zu können, muss der CO2-Ausstoß drastisch reduziert werden. Ein Instrument, mit dem das erreicht werden kann, ist die CO2 Steuer. Für die CO2 Steuer gibt es unzählig viele Modelle, aber im Groben geht es darum: Bei der Produktion von fast allen Gütern, vom Apfel, T-Shirt bis zum Auto, wird CO2 oder andere Treibhausgase ausgestoßen, die den Klimawandel verursachen und beschleunigen. Um Unternehmen einen Anreiz zu geben, möglichst viel CO2 in der Produktion einzusparen und Konsumenten beim Einkaufen eher zu den CO2-armen Alternativen greifen zu lassen, gibt es die Idee, dass Firmen wenn sie ein Produkt auf den Markt bringen, dessen CO2 Fußabdruck berechnen müssen, und dafür Steuern zahlen = ergo CO2 Steuer.

Das war nur ein ganz grober Überblick, denn Youtube bietet bereits viele richtig gute Erklärvideos dazu, beispielsweise dieses hier von Mailab, dieses hier von Joul, oder dieses von Doktor Whatson.

Nun aber zurück zum Schnitzel:

Um die Frage, wie sich eine CO2 Steuer auf unser Essen auswirken könnte, zu beantworten, hab ich mich für euch durch eine Menge hochwertige Studien und offizielle Quellen gegraben, und was ich dazu rausgefunden habe, erzähle ich euch gleich.

Noch etwas vorweg: Die folgenden Studien haben sich alle mit unterschiedlichen Varianten von CO2 Steuern beschäftigt. Die Auswirkungen sind auch je nach Design der Steuer, sozialen Gegebenheiten und strukturellen Eigenschaften der lokalen Wirtschaft, Landwirtschaft und Lebensmittelkette unterschiedlich. Irgendwie logisch, dass zwei unterschiedlich hohe CO2 Steuern, eine in Indien und eine in der Schweiz, nicht unbedingt die gleichen Auswirkungen haben, oder?

Deshalb darf man die Ergebnisse von solchen Länderanalysen nie 1:1 von einem Land aufs andere übertragen – so nach dem Motto: „Nur weil das in der Schweiz funktioniert, muss es nicht automatisch in Österreich funktionieren“. Dennoch kann man viele Einblicke und allgemeine Tendenzen erkennen. Also dann mal los:

1. Auswirkungen einer CO2 Steuer auf Essen

Ich habe mir die aktuellen Vorschläge für CO2 Steuern in Österreich, Deutschland und vielen vielen anderen Ländern angeschaut:

Stand Heute wäre die Lebensmittelproduktion von der absoluten Mehrheit der CO2-Steuer Ideen ausgenommen. Allerdings gibt es viele Vorschläge, den Lebensmittel-Sektor dennoch einzubinden (Stichwort: Fleischsteuer, zu der auch noch ein Video kommt, also dranbleiben!). Im Folgenden stelle ich euch ein paar wissenschaftliche Analysen aktueller Vorschläge vor:
Diese französische Studie von 2019 untersuchte folgende Optionen einer CO2-Steuer:

  1. Eine Steuer auf Lebensmittel mit hohen Anteilen an tierischen Proteinen, deren Einnahmen als Förderung von Pflanzenproteinen verwendet werden
  2. Die gleiche Steuer ohne Förderung
  3. Eine CO2 Steuer auf alle Lebensmittel

Die erste prognostizierte nur eine CO2 Reduktion zwischen 1% und 1,8%, das zweite Szenario war höher, also zwischen 2,2% und 5,5%. Also jene Varianten, in denen nur Lebensmittel mit hohen Anteilen an tierischen Proteinen besteuert wurden, hatten keine atemberaubenden Auswirkungen.
Im dritten Szenario, also in jenem mit der Steuer auf alle Lebensmittel, kam es zu einer CO2 Reduktion zwischen 6 und 15%.

Ähnliches CO2-Reduktionspotential (zwischen 6% und 10%) bei einer CO2 Steuer auf ALLE Lebensmittel, also Szenario 3, fand diese Studie fürs Vereinigte Königreich, diese Studie für Spanien und diese für Dänemark.

Zum Thema Ausgaben für Lebensmitteln: per Definition führt das erste Szenario dazu, dass im Schnitt gleich viel für Lebensmittel ausgegeben wird. Denn die Steuereinnahmen auf die tierischen Proteine würden ja zur Subvention pflanzlicher Proteine verwendet werden. Also jemand, der beides konsumiert gibt im Schnitt gleichviel aus, denn es würde Fleisch, Milch, Eier teurer und Bohnen, Erbsen und weitere Hülsenfrüchte billiger werden. Was das für jede Einzelperson bedeutet, hängt natürlich von deren Ernährungsverhalten ab: Veganer würden in dem Szenario viel weniger für den täglichen Einkauf ausgeben als ohne die Steuer.

Das dritte Szenario, also eine CO2 Steuer auf alle Lebensmittel (nicht aufkommensneutral) würde zu einer Erhöhung der Ausgaben für Lebensmittel zwischen 5% und 11% führen, auch wieder abhängig vom Ernährungsverhalten.

Wird jetzt also das Schnitzel teurer, wenn in Österreich eine CO2 Steuer kommt? Das hängt ganz klar davon ab, wie diese aussieht. Sowohl bei Szenario 1,2 und 3 der vorhin erwähnten Studie würde es teurer werden. Wenn Lebensmittel von der CO2 Steuer ausgenommen werden würden, würde der Preis gleichbleiben, oder nur durch die höheren Transportkosten beeinflusst werden.

Bei der französischen Studie muss man natürlich anmerken, dass sie sich rein auf den Lebensmittelkonsum zu Hause bezieht – Gastrokonsum einzukalkulieren wäre wohl zu komplex gewesen.

2. Soziale Konsequenzen:

Die Autoren der vorhin erwähnte Studie aus Spanien aus 2015 streichen hervor, dass eine Ausnahme von Gemüse & Obst von der CO2 Steuer dazu führt, dass Geringverdiener nicht so stark belastet wären. Außerdem streichen sie die Anreizwirkung für Geringverdiener hervor, von billig-Fleisch zu Gemüse & Obst zu wechseln.

Natürlich ist es extrem wichtig, beim Design einer CO2-Steuer auf Essen im Vorhinein die Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit UND die Ernährungsverhalten abzuschätzen. Es soll halt nicht am Ende dabei rauskommen, dass alle nur Chips futtern (die ja vegan und regional sein können), weil sie sich sonst nichts leisten können. Auch soziale Auswirkungen sind wichtig, denn in vielen westlichen Ländern ist der Fleischkonsum von NIEDRIGEREN Einkommensschichten HÖHER, als jener der Gutverdiener (Beispiel: Quelle für Frankreich). 

Stellt euch an dieser Stelle einfach die vegane, umweltschützende Ärtzetochter vor und dann den LKW-Fahrer, der 4 Kinder sattkriegen muss. Wen wird ein Preisanstieg von Würstel und Butter wohl härter treffen? (#bobo)

3. Angebot- & Nachfrage, Konkurrenz

Es spielt hier auch ein weiterer Faktor eine Rolle, der eigentlich in absolut jeder Diskussion zur CO2 Steuer zu Wort kommen müsste, es aber leider nicht tut: Die Angebots- & Nachfragesituation. Hier gibt es einen Mechanismus, durch den Angebot und Nachfrage die Auswirkung einer CO2 Steuer bestimmen. Den wollte ich euch zuerst direkt erklären, aber dann war das Video viiiel zu lange, weshalb ich euch dazu ein eigenes Video machen werde, das ich hier verlinken werde! Also unbedingt den Channel abonnieren, damit ihr benachrichtigt wird, wenn es rauskommt!
Ich weiß, das war jetzt sehr BWLig für viele, aber nimmt euch einfach das mit: Ob unser Schnitzel teurer wird, hängt auch von Angebot und Nachfrage ab. Und hier ist es auch egal, wer laut Gesetzestext die Steuer zahlt.

Außerdem spielt die Wettbewerbssituation mit. Umso mehr Konkurrenz in einem Markt (wie zB bei Grundnahrungsmitteln), umso eher wird eine Steuer 1:1 auf den Konsumenten übertragen. Auch zu diesem Mechanismus mache ich euch noch ein Video! 🙂

Was ihr euch hier einfach merken müsst ist Folgendes: Ökonomen und Wissenschaftler können zwar berechnen, um wieviel das Schnitzel bei einer CO2 Steuer WAHRSCHEINLICH teurer wird, aber am Ende des Tages entscheidet ja noch immer der Wirt über die Preisliste der Speisekarte. Deshalb können die Auswirkungen einer CO2 Steuer nie 100%ig vorhergesagt werden.

Ich weiß, das ist jetzt wieder die typische „es hängt davon ab“, Antwort der Wissenschaft. Aber ich will euch nur ehrlich zeigen, dass alle Prognosen der Auswirkungen der CO2 Steuer immer das bleiben: Prognosen. In der Praxis beeinflussen auch Faktoren wie Angebot und Nachfrage oder die Konkurrenz am Markt den Preis.

  1. Beispiele

Trotzdem kann ich euch ja mal zeigen, wie sich eine CO2 Steuer mit 55€/Tonne auf ein paar typische Lebensmittel in Österreich auswirken würde:

Ich hab in diesem Beispiel als Co2 Preis 55€/t verwendet, weil erstens Deutschland für 2025 bereits diesen Preis fixiert hat, und zweitens der auch im Mittelfeld der CO2 Preise anderer Länder liegt. Ein höherer CO2 Preis würde natürlich die Lebensmittelpreise noch erhöhen.

Dann starten wir mal mit der Kuhmilch: Laut dieser Studie des Joint Research Centre aus 2019 liegen die Emissionen je Kilogramm Kuhmilch in Österreich und Irland bei 1 Kilo CO2-Aquivalent. Sie sind daher die niedrigsten der  EU, deren Durchschnitt liegt bei 1,4 Kilo. Hier ist es wichtig, die Zahlen für das eigene Land zu verwenden. Denn dieser Vergleich für Österreich von vegan.at schreibt der Kuhmilch 3,2 kg zu – und damit das Dreifache von beispielsweise Sojamilch. Leider ist nicht ersichtlich, wo diese Zahl herkommt.

In der folgenden Tabelle findet ihr noch ein paar weitere Beispielberechnungen, die Quellen für die einzelnen Zahlen findet ihr hier.

ProduktCO2 Ausstoß in kgErhöhung mit Steuer 55€/t
1kg Rindfleisch (aus Brasilien, inkl. Transport nach Europa)462,53€
1kg Rindfleisch (EU Schnitt)221,21€
1kg Rindfleisch (Österreich)14,20,78€
1kg Butter (Deutschland)90,50€
1 Schnitzel 50,28€
1 Tafel Vollmilchschokolade4,10,23€
1 kg frische Erdbeeren (Winter, Deutschland)3,40,19€
1 kg deutsche Tomate aus Gewächshaus2,90,16€
1L konventionelle Kuhmilch (Österreich)10,06€
PKW Fahrt Supermarkt & retour (4km)10,06€
1 kg Bio-Avocados aus Peru0,80,04€
1 kg frische Erdbeeren regional & saisonal0,30,02€
Veggie Spaghetti Bolognese0,240,01€
1 kg Bio-Äpfel (Deutschland)0,20,01€
CO2 Ausstoß in kg sowie potentielle Erhöhung bei einer CO2 Steuer von 55€/t für ausgewählte Produkte. Quellen können hier eingesehen werden.

Ein paar der Beispiele möchte ich besonders hervorheben:
1 Kilo brasilianisches Rindfleisch, das in Österreich gekauft wird, produziert 46 Kilo CO2 Äquivalent, während im Durchschnitt der EU-Staaten bei der Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch 22 Kilo CO2-Äquivalente frei werden. Und österreichisches Rindfleisch, das in Österreich gekauft wird, hat im Durchschnitt den geringsten Rindfleisch-CO2-Abdruck weltweit: 14,2 kg. Wobei das natürlich noch immer sehr viel ist.

Für die weiteren Lebensmittel musste ich leider die Werte für Deutschland verwenden, die das IFUE 2020 berechnet hat da ich auch nach langer Recherche keine Werte für Österreich gefunden habe. Nachdem aber die Struktur der Landwirtschaft sehr ähnlich ist, und Importprodukte wie Avocados ja bei uns und dort den gleichen Abdruck haben, ist das vergleichbar.

Und wer mit dem Auto zum Beispiel 4,5km zum Supermarkt und retour fährt, würde dann noch 6 Cent draufrechnen müssen, denn Pro Kilometer stößt ein brandneues Auto gut 110 g CO2 aus, bei älteren Baujahren noch mehr (Quelle: Statista.at).

Die folgende Grafik habe ich euch hier auch interaktiv gebastelt (ich sag’s euch, das ist cooler 🙂

Darstellung der obigen Tabelle: CO2 Ausstoß in kg sowie potentielle Erhöhung bei einer CO2 Steuer von 55€/t für ausgewählte Produkte. Quellen können hier eingesehen werden. Farbe = Ernährungsform (vegan, vegetarisch, fleischessend), Größe = CO2 Ausstoß in kg.



Diese Centbeträge hören sich vielleicht jetzt auf die Schnelle nicht sehr hoch an, aber langfristig können sie eine starke Wirkung haben, was ja auch der Sinn der CO2 Steuer ist:
Umso CO2-sparender die Unternehmen produzieren, umso billiger können sie ihre Produkte anbieten. So werden auch für die Landwirte und Lebensmittelfirmen Anreize geschaffen, immer CO2-schonender zu produzieren. Und für Konsumenten wird es „leichter“, beim Einkaufen zur CO2 sparenderen Alternative zu greifen. Rindfleisch aus Österreich würde sich leichter gegen die südamerikanische Konkurrenz behaupten können, und regionales, saisonales Obst & Gemüse klar die Tiefkühlerdbeeren aus Neuseeland ausstechen.

Wird das Schnitzel jetzt teurer oder nicht?

Und um euch die Ursprungsfrage zu beantworten, habe ich mit diesem coolen Tool vom IUFE Deutschland ausgerechnet, wieviel kg CO2 ein (deutsches) Rinds-Wienerschnitzel mit Kartoffelbeilage ungefähr an CO2 ausstoßen würde: ungefähr 5 kg! Das würde es bei einem CO2 Preis von 55€/t dann um 28 cent teurer machen. Und mit Tiefkühlpommes würde der Wert gleich nochmal viel höher werden.
Bei einem CO2 Preis von 100€/Tonne CO2 wären es dann schon 50 cent.

Zum Vergleich: Veggi Spaghetti Bolognese mit seinen heißen 0.24 kg CO2 Fußabdruck würden um nur 1 cent teurer werden.

ABER: Nicht vergessen – je nach Modell der CO2 Steuer könnten Lebensmittel auch komplett ausgenommen werden. Nichtsdestotrotz könnte, durch steigende Treibstoffkosten für Herstellung und Transport, eine CO2 aber trotzdem Lebensmittelpreise beeinflussen. Mehr dazu in meinem nächsten Video: “CO2 Steuer: Wie wird der Bauer den Traktor tanken?”

So, und nun seid ihr dran: Was denkt ihr über die CO2 Steuer? Glaubt ihr, dass sie euer persönliches Einkaufsverhalten ändern könnte?

Oder habt ihr weitere Fragen zum Thema Nachhaltigkeit & Wirtschaft? Schreibts mir in die Kommentare! Ich bin schon ganz gespannt darauf!

Wenn ihr weitere verlässliche Informationen und gut recherchierte Fakten zu Nachhaltigkeitsfragen haben möchtet, dann klickt als erstes mal auf ABONNIEREN und dann auf die kleine Glocke, damit ihr kein Video verpasst. Und natürlich wär’s der Wahnsinn für mich wenn ihr dieses Video interessant und hilfreich findet und mir das mit einem Daumen nach oben zeigen würdet!

Bleibt neugierig! Wir sehen uns im nächsten Video von LydiaExplains!

Disclaimer:
Die in diesem Artikel präsentierten Meinungen sind meine persönlichen. Sie sind unbeeinflusst, unabhängig und ich werde nicht dafür bezahlt. Alle Quellen und Informationen wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen und unter ehrlicher wissenschaftlicher Praxis recherchiert. Dennoch erhebe ich keine Gewähr auf meine Angaben. Dies sind Quellen, die ich für zentral erachte, ich erhebe aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Du solltest immer die Quellen prüfen und skeptisch sein, wenn du von „wissenschaftlichen Argumenten“ hörst. Deshalb bitte ich dich, meine Quellen zu checken, und dir deine eigene Meinung zu bilden.


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